07.03.2024
Schweizer Bundesgericht bestätigt fahrlässige Tötung
Nicht aufgepasst: Im Jahr 2019 ist bei einem Arbeitsunfall in der Schweiz ein Mann verstorben. Der Hilfsarbeiter hat auf Anweisung seiner Vorgesetzten eine
Elektroscherenbühne für Reinigungsarbeiten genutzt, und zwar eine Haulotte Optimum 8. Er klemmte dabei seinen Hals zwischen einem Kabelkanal und dem Geländer der Hubarbeitsbühne ein und erstickte.
Mit Urteil vom 2. Juni 2021 sprach das Bezirksgericht Willisau die beiden Angeklagten A.A. und D. der fahrlässigen Tötung schuldig und belegte sie jeweils mit einer Geldstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt ist (jeweils 40 Tagessätze zu 290 Franken bzw. 130 Franken). Diese gingen vor dem Bundesgericht in Berufung. Doch auch das Kantonsgericht in Luzern sprach beide mit Urteil vom 28. April 2022 der fahrlässigen Tötung schuldig. Nun ging es in die nächsthöhere Instanz. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil 6B_1058/2022, 6B_1072/2022 im Januar 2024 die Beschwerde eines Geschäftsführers und eines Teamleiters abgewiesen und das Urteil der Vorinstanz erneut bestätigt.
Zum Hintergrund: Das Opfer wurde vom Geschäftsführer als Hilfsarbeiter eingestellt und vom Teamleiter zu seiner Arbeit angewiesen. Beide Vorgesetzte hatten es versäumt, vom Mitarbeiter einen Ausbildungsnachweis für Hubarbeitsbühnen zu verlangen. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen im Umgang mit Arbeitsbühnen hätten die beiden wissen müssen, welche Voraussetzungen für sicheres Arbeiten in der Höhe erforderlich seien, so das Gericht. Diese Unterlassung werteten die Schweizer Gerichte als eine
Missachtung der Sorgfaltspflicht im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB und sprachen den Geschäftsführer und den Teamleiter der
fahrlässigen Tötung für schuldig.
Das Bundesgericht führt zum Tatbestand der fahrlässigen Tötung i.S.v. Art. 117 StGB im
Urteil 6B_1058/2022, 6B_1072/2022 vom 29. Januar 2024 unter anderem aus:
„Gemäß Art. 117 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht nimmt. (...)
Zur Ausbildungspflicht für Hubarbeitsbühnen wurde auf Art. 85 UVG i.V.m. Art. 52a Abs. 1 VUV und maßgeblich auf EKAS-Richtlinien und die Checklisten der Suva abgestützt. Der Argumentation des Geschäftsführers, dass weder die EKAS-Richtlinie noch die Suva-Checklisten Bundesrecht seien, folgte das Gericht nicht. Es folgte dem Beschwerdeführer insoweit, als dass die Nichteinhaltung einer Richtlinie nicht automatisch zur Folge hätte, dass die gebotene Sorgfaltspflicht nicht eingehalten wurde; jedoch läge im Verstoß gegen eine solche Richtlinie ein Indiz für die Missachtung der Sorgfaltspflicht im Sinne von Art. 12 Abs. 3 StGB.“
Das Schweizer Bundesgericht stützte die Unterscheidung zwischen der Instruktion eines Bedieners am Einsatzort und einer ausreichenden Ausbildung und präzisierte: „Eine solche Instruktion ersetze eine Ausbildung für die jeweilige Hubarbeitsbühnen-Kategorie nicht, sondern sei zusätzlich erforderlich.“
Zudem erachtete das Gericht den Unfall für den Geschäftsführer als vorhersehbar. „Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrungen sei das Verhalten des Geschäftsführers geeignet gewesen, einen ‚Erfolg‘ wie den vorliegend eingetretenen Tod durch Einklemmen herbeizuführen respektive mindestens zu begünstigen.“
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