28.06.2016
Trimodal transportiert
In der polnischen 120.000-Einwohner-Stadt Plock ensteht ein neues
Gas- und Dampfturbinenkraftwerk. Für den Transport der Hauptkomponenten und deren Fundamentstellung hat die Felbermayr Transport- und Hebetechnik den Auftrag bekommen. Die Arbeiten haben im Februar 2016 begonnen und werden im Oktober abgeschlossen.
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Boris Albl
„Im Spätsommer 2015 erhielten wir den Auftrag und starteten umgehend mit der Detailplanung“, sagt
Boris Albl von der Felbermayr-Niederlassung in Nürnberg. „Für ein multimodales Projekt mit Stückgewichten von nahezu 500 Tonnen ist das nicht viel Zeit.“ Von fünf Ausgangsorten wurden die Komponenten über insgesamt rund 5.000 Kilometer bis zur Kraftwerksbaustelle in Plock transportiert. Plock liegt rund 100 Kilometer nordwestlich von Warschau an der Weichsel.
„Die K-Turbine und der Generator sowie der Turbinenrotor und zwei Gehäuseteile hatten ihren Ursprung im Siemens-Werk in Mülheim an der Ruhr in Nordrhein-Westfalen“, erklärt Albl. Das Hochwasser zwang die Projektverantwortlichen von Beginn an zu Konzeptänderungen: So konnten
Komponenten mit einem Gesamtgewicht von rund 900 Tonnen nicht wie geplant bereits in Mülheim auf ein Küstenmotorschiff umgeschlagen werden, sondern mussten zunächst via Binnenschiff bis Nordenham an der Wesermündung zur Nordsee transportiert werden; einige Brücken hätten schlicht nicht unterfahren werden können.
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Die rund 900 Tonnen schweren Komponenten mussten entgegen den ursprünglichen Plänen mittels Binnenschiff bis Nordenham an der Wesermündung zur Nordsee transportiert werden
In Nordenham erfolgte innerhalb eines Tages der ursprünglich nicht geplante Umschlag auf ein Küstenmotorschiff. Außerdem wurden die dort zwischengelagerte Gasturbine sowie der aus Berlin kommende Abgasdiffusor zugeladen. So sollten die Komponenten über den Nordostseekanal vorbei an der Mecklenburger und an der Pommerschen Bucht bis zum nächsten, etwa 1.500 Kilometer entfernten Umschlagplatz transportieren zu können. „Das wäre Gdynia gewesen“, sagt Albl, eine Hafenstadt an der Danziger Bucht. Doch wegen der Zeitverzögerung war der dortige
Werftkran nicht mehr verfügbar.
Deshalb wurde die Seereise gleich bis Danzig (Gdansk) an der Weichselmündung fortgesetzt. Doch auch dort stand kein geeignetes Umschlagsgerät zur Verfügung. Also wurde ein
600-Tonnen-Schwimmkran aus Bremerhaven geordert. Damit konnten die Komponenten doch noch rechtzeitig auf die Pontons umgeschlagen werden.
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Da kein Werftkran in Danzig frei war, musste ein Schwimmkran aus Bremerhaven angefordert werden für den Umschlag
Die folgenden rund 350 Kilometer bis zur nächsten Umschlagsstelle wurden auf der Weichsel zurückgelegt. „Die Weichsel ist ein nicht stauregulierter Strom mit ganzjährig sehr niedrigem Wasserstand“, erklärt Albl die Kernproblematik. Deshalb wurden durch die Felbermayr-Tochter
Best Logistics speziell modifizierte
Schwerlast-Pontons mit wenig Tiefgang eingesetzt. Dadurch sei bei einem Ladungsgewicht von je rund 500 Tonnen ein maximaler Tiefgang von nur 1,4 Meter erreicht worden, sagt Albl. Im vergangenen Jahr, so der 43-Jährige, sei ein ähnlicher Transport auf der Weichsel bei einem Tiefgang von 1,8 Meter monatelang festgesessen. Das wollte man natürlich unbedingt vermeiden. Binnen einer Woche trafen die je zwei Bargen und Pontons dann am Anlegeplatz in Plock ein.
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Gasturbine und Generator werden mit einem 1.000-Tonnen-Hubgerüst auf SPMT umgeladen
Doch dort warteten schon die nächsten Schwierigkeiten: Die Entladerampe, dauernd unterspült, bereitete statische Probleme. Die Lösung: vier Pfahlungen, jeweils zehn Meter tief in den Untergrund gerammt, und zwei Betonfundamente, jeweils links und rechts von der Rampe. Darauf wurde ein
schienengelagertes Hubgerüst
positioniert.
„Das ermöglichte uns die sichere Übernahme der beiden 500-Tonnen-Komponenten, nachdem sie mittels hydraulischer Verschubbahnen vom Schiff verschlittet wurden. Danach wurden Gasturbine und Generator mittels 1.000-Tonnen-Hubgerüst der Niederlassung Krefeld auf einen Selbstfahrer umgeladen“, erklärt Albl den weiteren Ablauf zur Vorbereitung für den
Nachlauf auf der Straße.
Um eine marode Brücke gefahrlos passieren zu dürfen, wurden der rund 500 Tonnen schwere Generator und die Gasturbine auf einem 18-achsigem Selbstfahrer mit „4-file-Konfiguration“ transportiert.
Dadurch verteilt sich das Gewicht auf insgesamt 144 fahrbahnschonende Räder. Für das 30 Meter lange Fahrzeug stellten drei folgende Kreisverkehre allerdings ein großes Hindernis dar. Deshalb wurde der SPMT nach der Brücke auf zehn Achsen zurückgebaut. Wenige hundert Meter vor dem Abstellplatz waren die Mannen mit den himmelblauen Helmen allerdings noch einmal kräftig gefordert. Eine tiefliegende Rohrbrücke stellte sich dem samt Ladung etwa sieben Meter hohen Transport in den Weg.
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Die Gasturbine auf dem Weg ins polnische Plock
Noch einmal musste das schienengelagerte Hubgerüst ran, damit die Last unter der Rohrbrücke durchschlittet werden konnte. Günstigere Voraussetzungen hatte das Transportteam bei einer weiteren Rohrbrücke. „Hier ging es sich ohne umfangreiche technische Maßnahmen aus, nachdem der SPMT hydraulisch auf die niedrigstmögliche Fahrhöhe von 1,2 Meter abgesenkt wurde“, berichtet Albl erleichtert. Die verbleibenden Komponenten wurden mittels zweier
500-Tonnen-Mobilkrane umgeladen. Für die Gewichte von maximal 133 Tonnen reichte eine auf acht Achsen reduzierte Variante des SPMT. Ab Mitte Mai wurden die zwischengelagerten Komponenten in das Maschinenhaus verfahren.
Etwa 300 Kilometer wurden mit insgesamt 280 Tonnen schweren Kondensatorteilen auf der Straße zurückgelegt. Ausgangsort für die Teile war die südwestlich von Plock gelegene Stadt Opole. Aufgrund maximaler Stückgewichte von etwa 50 Tonnen und einer Breite von rund sieben Metern konnten diese Transporte auf herkömmlichen Semitiefladern transportiert werden. Mitte Juni folgten dann noch insgesamt 200 Tonnen schwere Gehäuseteile für die Dampfturbine, ebenfalls von Opole ausgehend.
Demnächst werden dann noch ein Transformator mit 277 Tonnen sowie zwei Phasenschieber mit je 110 Tonnen zugestellt. Ausgangsorte für die rund 1.000 Kilometer weiten Transporte sind die Siemens Standorte Weiz und Linz in Österreich. Mit der Fundamentstellung dieser Komponenten im Oktober dieses Jahres ist der Auftrag für Felbermayr abgeschlossen. Und auch für Boris Albl.
Das neue Kraftwerk soll bis Ende 2017 ans Netz gehen.
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